Story
„Ein Schüleraustausch öffnet neue Türen!“
Die Städtefreundschaft zwischen Mar del Plata und Krefeld lebt von persönlichen Verbindungen – auch und gerade zwischen jungen Menschen. Deshalb ist das Krefelder Wirtschaftsdezernat derzeit dabei, Schulen aus Krefeld und Mar del Plata miteinander zu vernetzen. Ziel ist ein Schüleraustausch zwischen beiden Gemeinden. Wir haben zwei Krefelder Spanischlehrer gefragt, welche Chancen sie in einem solchen Austausch sehen.
André Lukoschek unterrichtet Spanisch am Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium. Kathrin Walk ist Spanischlehrerin am Hannah-Arendt-Gymnasium.
Angestrebt wird ein Schüleraustausch mit der deutschen Schule in Mar del Plata, dem Instituto Juan Gutenberg (Johann-Gutenberg-Schule). Dazu ist das Krefelder Wirtschaftsdezernat im Gespräch mit Andrés Skliarevsky, Präsident des Lenkungsausschusses des Instituto Juan Gutenberg. Mehr dazu erfahren Sie in Kürze hier.
In der Schülergunst läuft Spanisch der französischen Sprache zunehmend den Rang ab. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?
Kathrin Walk: An unserer Schule bieten wir ab der siebten Klasse zunächst Französisch und Latein an, Spanisch kommt erst in der neunten Klasse hinzu – es gibt also keine unmittelbare Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Sprachen. Wir merken aber schon, dass ab der Neunten das Interesse für Französisch nachlässt und wir Schwierigkeiten haben, in der Oberstufe noch einen Kurs zu füllen. Das liegt sicher auch daran, dass es im Französischen einen starken Unterschied gibt zwischen geschriebener und gesprochener Sprache – das macht es sehr komplex. Spanisch ist deutlich leichter zu lernen, auch wenn sich die Grammatik beider Sprachen durchaus ähnlich ist.
André Lukoschek: Auch bei uns ist es so, dass die Schülerinnen und Schüler nie direkt zwischen den beiden Sprachen entscheiden müssen. Bei uns kann Französisch schon ab der fünften Klasse belegt werden und wir merken, dass die Kinder dadurch einen starken Bezug zu Französisch haben und das Interesse nach wie vor groß ist. Ein Leistungskurs Französisch ist allerdings schon seit ein paar Jahren nicht mehr zustande gekommen.
Die Begeisterung für die spanische Sprache – wie ist sie bei Ihnen beiden entstanden?
Walk: Ich hatte immer schon ein Faible für Fremdsprachen. In der Schule habe ich zunächst mit Französisch angefangen; in der Oberstufe standen dann Russisch und Spanisch zur Wahl. Weil der Spanischkurs voll war, habe ich zunächst zwei Wochen Russisch gelernt, bis dann doch noch ein zweiter Spanischkurs zustande kam. Wer weiß, vielleicht wäre ich sonst heute Russischlehrerin …
Lukoschek: Auch bei mir ist die französische Sprache das Vehikel in Sachen Fremdsprachen gewesen. Ich war schon immer frankophil und habe viele Urlaube in Frankreich nahe der spanischen Grenze gemacht. Der Besuch im spanischen San Sebastian war dann immer ein Highlight und so entstand das Interesse an der Romanistik und der spanischen Sprache. Ich habe dann Französisch und Spanisch auf Lehramt studiert und war dafür auch ein Jahr in Madrid. Lateinamerika habe ich noch nicht bereist und finde daher den Anstoß für einen Schüleraustausch mit Mar del Plata extrem spannend.
Wussten Sie um die musikalische Verbindung zwischen Mar del Plata und Krefeld?
Walk: Dass das Bandoneon aus Krefeld stammt, war eine vollkommen neue Info für mich! Davon habe ich erst durch das 650jährige Stadtjubiläum erfahren. Es gab dazu ein tolles Ballett im Krefelder Theater, das ich mir angesehen habe.
Lukoschek: Mir war das auch nicht klar. Erst durch die Kontaktaufnahme durch das Krefelder Wirtschaftsdezernat bin ich darauf aufmerksam geworden und dann dazu mit Kollegen ins Gespräch gekommen. Einige von ihnen kannten die Geschichte rund um das Bandoneon.
Um die Vorteile und Möglichkeiten einer Schulkooperation mit Mar del Plata auszuloten, trafen sich die beiden Spanischlehrer mit Dr. Simon Jenniches und Angel Alava Pons (2/3 v. l.) vom Krefelder Wirtschaftdezernat. Das Gespräch fand statt im K+ Café im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum.
Inwiefern gibt es an Ihren Schulen bereits die Möglichkeit zum Schüleraustausch?
Lukoschek: Bei uns gibt es seit rund 15 Jahren einen Austausch mit der Pestalozzi-Schule in Buenos Aires. Die argentinischen Schüler kommen im deutschen Winter zu uns, die deutschen Schüler reisen immer nach den Sommerferien nach Argentinien. Beide Besuche dauern drei Monate, wobei der Deutschlandbesuch für die Argentinier fest zum Curriculum gehört. Neben Argentinien pflegen wir Kooperationen mit Schulen in Frankreich und Spanien; auch der Austausch mit China soll jetzt nach Corona wieder beginnen. Eingeschlafen ist der Austausch mit den USA.
Walk: Mit Corona ist auch bei uns vieles ins Stocken geraten. Wir hatten lange Kooperationen mit Schulen in den USA und England, aber die sind nicht wieder aufgelebt. Insofern suchen wir nach neuen Möglichkeiten und einen Austausch in ein spanischsprachiges Land haben wir bislang nicht angeboten.
Herr Lukoschek, aus der Erfahrung mit Buenos Aires heraus, was interessiert die spanischsprachigen Schüler hier in Deutschland besonders?
Lukoschek: Unsere argentinischen Gastschüler reisen meist sehr gerne und freuen sich, dass hier alles nah beieinander liegt. Mit ihren Gastfamilien besuchen sie zum Beispiel Amsterdam, Paris, Brüssel – das kommt immer sehr gut an. Da die Argentinier uns im Winter besuchen, waren viele auch schon mit auf unseren Schul-Skifreizeiten, das ist natürlich auch eine tolle Erfahrung. Ganz allgemein finden sie aber auch das Leben in einer deutschen Stadt spannend. Wir haben schon oft gehört, dass sie den Alltag hier als viel freier erleben.
Welche Gründe sprechen aus Ihrer Erfahrung generell für einen Schüleraustausch?
Lukoschek: Wann hat man denn sonst die Möglichkeit, ein Land so intensiv kennenzulernen, in seine Kultur einzutauchen und Freundschaften zu schließen? Die Schulzeit ist ideal dafür! Das ist eine einmalige Gelegenheit, den eigenen Horizont zu erweitern. Sprachlich machen die Schüler natürlich einen Riesensprung. Gerade Schülern, die neugierig sind auf die Welt, kann ich das nur empfehlen. Natürlich müssen wir gerade im Hinblick auf Lateinamerika oft Ängste nehmen – da haben viele Bilder im Kopf, die mit der Realität nichts zu tun haben. Deshalb bieten wir einen Elternabend an, bei dem Schüler, die bereits dort waren, von ihren Erfahrungen berichten.
Walk: Der entscheidende Vorteil eines Schüleraustauschs ist der enge Kontakt mit Muttersprachlern – den halte ich für unbezahlbar. Wer in Argentinien war, kommt natürlich zurück mit einem Akzent, aber das darf so sein! Ich hatte selbst viele argentinische Dozenten an der Uni und das kann man manchmal hören … Die große Entfernung zwischen Argentinien und Deutschland ist natürlich ein Thema, auch für Eltern. Deshalb finde ich es wichtig, dass sich alle Beteiligten vorab kennenlernen und es auch einen Kontakt gibt mit der Stadt, die als Institution jeweils dahintersteht und sich im Notfall kümmert.
Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass ein Auslandsaufenthalt den weiteren Lebensweg prägt?
Lukoschek: Ja, unbedingt! Wir hatten einen Schüler, der hat seine argentinische Gastschwester später sogar geheiratet. Das ist natürlich ein sehr außergewöhnliches Beispiel, aber ich weiß von vielen, die später zum Beispiel Praktika in Argentinien gemacht haben. Insofern öffnet ein Schüleraustauch neue Türen!
Walk: Neben den sprachlichen Fähigkeiten wächst ja mit dem Schüleraustausch auch das Selbstvertrauen. Zu wissen: Ich habe als junger Mensch drei Monate im Ausland gelebt und ich habe es allein geschafft – das eröffnet einen völlig neuen Blick auf die Welt und die Möglichkeiten, die sie mir bietet. Weil man weiß: Ich kann das!
Fotos: Katja Hausmanns