Story
Der Erste seiner Art
Anfang des Jahres gab es den ersten Schüleraustausch zwischen Mar del Plata und Krefeld: Der Argentinier Juan Marcos Devo war zehn Wochen Gastschüler am MSM-Gymnasium, hat den Alltag in einer deutschen Familie erlebt – und den rheinischen Karneval gefeiert.
Von Recyling, Abendbrot und anderen Gewohnheiten
Mitte Januar 2025 in Mar del Plata: Die argentinischen Sommerferien sind gerade erst halb vorbei. Doch während seine Mitschüler die Zeit am Strand genießen, macht sich Juan Marcos auf den Weg zum Flughafen. Rund 16 Stunden dauert die Reise nach Deutschland – mitten in den Winter. „Das war natürlich eine Umstellung, aber ich wusste ja, was mich erwartet“, erzählt Juan, dem neben dem Wetter auch die deutsche Kultur nicht völlig fremd war. Bereits 2024 reiste er für vier Wochen nach Deutschland; besuchte Freunde seiner Mutter in Stuttgart. Dass die Deutschen beim Betreten einer Wohnung die Schuhe ausziehen, kannte er schon – ebenso wie das ausgeklügelte deutsche Recyclingsystem. Gewöhnungsbedürftig war für ihn zunächst aber das deutsche Abendbrot. „Wir essen in Argentinien zweimal im Tag warm und das Abendessen gibt es meist erst nach 20 Uhr“, berichtet Juan in verständlichem, aber doch stockendem Deutsch. „Mein Hörverstehen ist in der Zeit hier viel besser geworden, aber ich spreche leider immer noch nicht sehr gut eure Sprache“, zeigt sich Juan selbstkritisch.

„Ich lerne hier viele Dinge selbstständig zu machen – das ist eine wichtige Fähigkeit.“
Juan Marcos Devo
Brücken bauen
In seiner Familie ist Juan der Erste, der deutsch lernt. Dafür besucht er die Gutenberg-Schule in Mar del Plata. Ab dem Kindergartenalter wird hier deutsch vermittelt – inzwischen geht auch Juans jüngerer Bruder dort zur Schule. Wenn die Noten stimmen, ist ein Auslandsaufenthalt für Gutenberg-Schüler obligatorisch. Die Partnerschulen sind über die ganze Bundesrepublik verteilt – mit dem Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium (MSM) ist nun erstmals eine Krefelder Schule dabei. Angeregt hat das die Krefelder Wirtschaftsförderung KREFELD BUSINESS, die durch zahlreiche Projekte versucht, die Verbindung zwischen Mar del Plata und Krefeld zu stärken und damit fortzuführen, was mit der gemeinsamen Geschichte rund um das Bandoneon begann.

Gemeinsam Deutschland erkunden
Damit Juan nach Krefeld kommen konnte, hat sich Juans Gastschwester Mira Hanspach bei der Gutenbergschule beworben. Mira besucht die zehnte Klasse des MSM-Gymnasiums und beschreibt den Aufenthalt Juans als wertvolle Erfahrung für die ganze Familie. „Wir haben in dieser Zeit sehr viel unternommen und waren quasi in ganz Deutschland unterwegs“, erzählt Mira. Gemeinsam mit Juan waren die Hanspachs in Hamburg und Berlin; haben ihrem Gast aber auch Köln und Düsseldorf gezeigt. Ein weiteres Highlight für den Argentinier war die Skifreizeit der Schule nach Italien, an der er teilnehmen konnte. Aber auch der normale deutsche Schulalltag hat ihm gut gefallen. Nicht zuletzt, weil die Schüler hier die Wahl der Fächer an ihre Vorlieben anpassen können. „In Argentinien ist das Schulsystem sehr starr, hier finde ich es besser“, erzählt Juan. Und nach der Schule? Da spielte Juan in der Mannschaft von Miras Bruder Handball, besuchte ein Fitnessstudio, war bei einem Spiel der populären Krefelder Eishockeymannschaft KEV dabei oder traf sich mit Freunden. Der Südamerikaner hat schnell Anschluss gefunden in Krefeld und war auch im rheinischen Karneval mittendrin, natürlich verkleidet. „Das war sehr lustig“, fasst er seine Erfahrung lapidar zusammen.
Eine Erfahrung fürs Leben
Bei seinem Aufenthalt in Krefeld hatte Juan nicht nur den Spaß, sondern auch seine Zukunft im Blick. „Ich lerne hier viele Dingen selbstständig zu machen – das ist, neben den Sprachkenntnissen, eine wichtige Fähigkeit“, findet Juan, der später einmal in Argentinien ein Ingenieursstudium beginnen möchte. Wie wichtig Auslandserfahrungen für die persönliche Entwicklung sind, weiß auch André Lukoschek, der die Auslandsaufenthalte am MSM-Gymnasium betreut. Im vergangenen Jahr haben fünf Schülerinnen und Schüler die Chance genutzt, nach Argentinien zu gehen – Tendenz steigend. „Es ist enorm, wie gereift sie zurückkommen“, berichtet der Spanischlehrer. Eine Erfahrung, die auch Mira Hanspach machen möchte, wenn sie zum Gegenbesuch nach Mar del Plata reist. „Ich habe außerhalb Europas noch nichts gesehen und freue mich sehr auf die Zeit in Argentinien“, erzählt die Schülerin. Im Herbst wird sie für neun Wochen bei Juan und seiner Familie leben. Mit im Gepäck hat sie dann sicher auch ihre Badesachen. Denn in Argentinien ist dann Frühling und der Strand liegt in Mar del Plata direkt vor der Tür.
Fotos: Katja Hausmanns